Rechtsprechung

Hier finden Sie eine Auswahl derjenigen Fälle aus der aktuellen Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechts dargestellt, die den in den Kanzlei Dr. Vachek Rechtsanwälte tätigen Fachanwälten für Medizinrecht besonders interessant erscheinen. Die einzelnen Fälle können auch Ihnen als erste Einschätzung dafür dienen, zu erkennen, inwieweit in Ihrem Fall ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt oder ob sich lediglich eine Komplikation verwirklicht hat, die zwar einen Schaden verursacht hat, jedoch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gibt.

Gebiet/Thema Hauptaussage (Leitsatz) des Urteils
Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage für Widerruf der ärztlichen Approbation

§ 5 Abs. 2 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BÄO wird den Anforderungen an die Bestimmheit gesetzlicher Ermächtigungen der Exekutive zur Vornahme von Verwaltungsakten (hier: Widerruf der Approbation) gerecht. Der Begriff der Unwürdigkeit verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot.

BVerfG, Beschluss v. 8. September 2017, Az.: 1 BvR 1657/17

Erkundigungspflicht des nachbehandelnden Radiologen

Ist einem Radiologen, der eine postoperative MRT-Befundung vornehmen soll, das angewandte Operationsverfahren nicht bekannt, so hat er sich bei dem Operateur zu erkundigen, wenn die Möglichkeit besteht, dass hieraus Rückschlüsse auf die Befundung gezogen werden können.

OLG Dresden, Urt. v. 29. August 2017, Az.: 4 U 401/17

Befugnis zur Befundung bildgebender Befunde

Ein Facharzt für Orthopädie als Sachverständiger kann kernspintomographisch erhobene Befunde beurteilen, wenn es nur einer fachspezifisch radiologischen Diagnostik bedurfte.

LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 3. August 2017, Az.: L 6 VS 1447

Reichweite des Auskunfts- und Herausgabeanspruchs des Patienten

Dem Patienten steht gegen Kostenerstattung ein Anspruch auf Herausgabe der gesamten Behandlungsunterlagen zu. Namen und Anschriften der an der Behandlung beteiligten Ärzte muss das Krankenhaus nur offenbaren, wenn der Patient ein berechtigtes Interesse an diesen Daten nachweist.

OLG Hamm, Urt. v. 14. Juli 2017, Az.: 26 U 117/16

Unzulässigkeit allgemeiner und weitreichender Schweigepflichtsentbindungen im Versicherungsvertragsrecht

§ 213 VVG steht der Zulässigkeit allgemeiner Schweigepflichtsentbindungen nicht entgegen. Der Versicherer darf im Rahmen einer Leistungsprüfung dem Versicherten die Erteilung einer solchen, weitreichenden Erklärung aber regelmäßig nicht abverlangen.

In Fällen der Datenerhebung ohne ausreichende Rechtsgrundlage, insbesondere bei Nichtbeachtung der Vorgaben des § 213 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 und 4 VVG, ist sachlich-rechtlich zu prüfen, ob der Versicherer nach § 242 BGB gehindert ist, sich auf die Ergebnisse seiner Ermittlungen zu berufen und insbesondere darauf gestützt von dem Gestaltungsrecht der Arglistanfechtung Gebrauch zu machen.

BGH, Urt. v. 5. Juli 2017, Az.: IV ZR 121/15

Haftung für fehlerhaftes Slicen der Milchzähne

Wird bei Milchzähnen zu viel Material abgetragen, sodass eine ungleichmäßige Oberfläche entsteht, ist hierin ein grober Behandlungsfehler zu sehen.

OLG Hamm, Urt. v. 4. Juli 2017, Az.: 26 U 3/17

Beweislast für Fehler eines Impfstoffes

Der Fehler eines Impfstoffs und der ursächliche Zusammenhang zwischen diesem Fehler und dem Auftreten der Krankheit können bei nicht vorhandenem wissenschaftlichem Konsens durch ein Bündel ernsthafter, klarer und übereinstimmender Indizien bewiesen werden. Hierzu rechnen die zeitliche Nähe zwischen Impfung und Auftreten der Krankheit, fehlende Vorerkrankungen und das vermehrte Auftreten derselben Krankheit bei geimpften Personen.

EuGH, Urt. v. 21. Juni 2017, Az.: C 621/15

Unterlassene Befunderhebung bei Kompartmentsyndrom

Zeigen sich bei einem mit Gipsschiene versorgten Patienten Symptome eines Kompartmentsyndroms, muss der mit der Nachsorge betraute Hausarzt diese abklären lassen. Versäumt er dies liegt ein grober Behandlungsfehler vor.

OLG Hamm, Urt. v. 13. Juni 2017, Az.: 26 U 59/16

Zielleistungsprinzip und Analogberechnung bei Lid-OP

Bei Operation einer Lidsenkung ist die Zugangsleistung Orbitotomie gesondert als selbständige Teilleistung im Sinne von § 4 Abs. 2a GOÄ analog A 2427 GOÄ nach § 6 Abs. 2 GOÄ berechnungsfähig, da sie keinen methodisch notwendigen Bestandteil des Ptosis-Eingriffs nach Ziffer 1306 GoÄ darstellt.

AG Nürnberg, Urt. v. 1. Juni 2017, Az.: 37 C 1874/15

Voraussetzungen der Wahl einer nicht anerkannten Behandlungsmethode

Die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode setzt eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung der mit der Behandlung verbundenen Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere des Wohls des Patienten voraus. Bei dieser Abwägung sind auch die zur Verfügung stehenden Methoden der Schulmedizin zu berücksichtigen. Je schwerer und radikaler der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten, nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode.

BGH, Urt. v. 30. Mai 2017, Az.: VI ZR 203/16

Voraussetzungen der Präklusion bei Stellungnahme auf Gutachten

Hat das Gericht eine Frist zur Stellungnahme auf ein Gutachten nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzt, so kann nach Fristablauf eingehender Parteivortrag, der sich nicht auf die im Gutachten behandelte Beweisfrage bezieht, nicht nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.

BGH, Beschluss v. 16. Mai 2017, Az.: VI ZR 89/16

Aufklärungspflicht bei Kombination zweier Eingriffe

Klärt der Arzt vor einer OP mit Kombination zweier Eingriffe nur über einen Operationsteil auf, so haftet er für die Folgen der Operation nicht, wenn nicht feststeht, ob diese nicht auch allein auf dem Teil der Operation beruhen können, der von der Aufklärung umfasst war.

OLG Dresden, Urt. v. 16. Mai 2017, Az.: 4 U 1229/15

Umfang der Aufklärungspflicht vor Implantation einer Radiuskopfprothese

Vor der Implantation einer Radiuskopfprothese muss nicht darüber aufgeklärt werden, dass sich die konkrete Prothesengröße erst intraoperativ bestimmen lässt.

OLG Dresden, Urt. v. 9. Mai 2017, Az.: 4 U 1491/16

Unzureichende Überwachung der Geburt und verspätete Entscheidung zur Sectio

Bleibt ein CTG pathologisch und ist eine Fetalblutgasanalyse nicht möglich, so ist die Geburt mittels Sectio zu beenden. Es stellt dabei einen groben Behandlungsfehler dar, wenn eine gebotene CTG-Überwachung unterlasssen und die sog. EE-Zeit von 20 Minuten um fast das Doppelte überschritten wird. Da der Kläger schwere kognitive Defizite (hypoxische Hirnschädigung) erlitten hat und nicht über den Stand eines 7-Jährigen hinauskommen wird, wurde ein Schmerzensgeld von EUR 250.000,00 zugesprochen.

OLG Hamm, Urt. v. 4. April 2017, Az.: 26 U 88/16

Haftung wegen unterlassener Bluttransfusion

Erreicht der Hb-Wert bei einer Patientin einen Bereich von 6 g/dl oder wird dieser Wert unterschritten, entspricht es dem medizinischen Standard, unverzüglich eine Bluttransfusion durchzuführen. Das Unterlassen einer Bluttransfusion stellt einen groben Behandlungsfehler dar, wenn das klinische Bild der Patientin für eine absolute Indikation zur Transfusion spricht.

OLG Hamm, Urt. v. 21. März 2017, Az.: I-26 U 122/09

Haftung wegen übersehener Malaria-Erkrankung

Das Verkennen einer Malaria-Erkrankung stellt einen fundamentalen Diagnosefehler dar, wenn der Arzt vom Aufenthalt in einem Malaria-Gebiet wusste. Den Patienten trifft trotz unterlassener Malaria-Prophylaxe kein Mitverschulden.

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 21. März 2017, Az.: 8 U 228/11

Kein generelles Verbot einer ärztlchen Tätigkeit in der Form einer GmbH

Die ärztliche Berufsordnung in Rheinland-Pfalz steht einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform einer GmbH nicht entgegen, wenn dies durch formelles Gesetz zugelassen ist und die genannten weiteren berufsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Als formelles Gesetz in diesem Sinne kann § 21 Abs. 2 S. 5 HeilBG angesehen werden, das Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot des Satzes 1 zulässt.

VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 31. März 2017, Az.: VGH N 4/16

Einheitlicher Schmerzensgeldanspruch bei mehreren Behandlungsfehlern

Mehrere Behandlungsfehler, die Ärzten im Rahmen einer einzigen OP unterlaufen sind, begründen nur einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch, dessen Höhe aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände zu bemessen ist. Einer Aufspaltung des Schmerzensgeldbetrages in einzelne Teilbeträge steht der Grundsatze der Einheitlichkeit der Schmerzensgeldbemessung entgegen.

BGH, Urt. v. 14. März 2017, Az.: VI ZR 605/15

Anorndung der Vorlage von Behandlungsunterlagen im selbständigen Beweisverfahren

Auch bereits im selbständigen Beweisverfahren, das der Verfahrensvermeidung und -beschleunigung dient, kann das Gericht die Vorlage der Behandlungsunterlagen nach §142 ZPO anordnen, da diese notwendiger Bestandteil der zu beurteilenden Behandlung sind und die Behandlerseite nach § 630g BGB eine Pflicht zur Gewährung von Einsicht in die Behandlungsunterlagen trifft. Daher ist die Anordnung der Vorlage von Behandlungsunterlagen zur Vorbereitung einer sachverständigen Begutachtung zulässig und geboten.  Nur wenn dem Sachverständigen auch die Behandlungsunterlagen zur Verfügung stehen, kann ernsthaft damit gerechnet werden, dass das Ergebnis der Begutachtung die Entscheidung der Parteien über die Durchführung eines Hauptverfahrens beeinflussen kann.

OLG Nürnberg, Urt. v. 14. März 2017, Az.: 5 W 1043/16

Aufklärungspflicht auch bei Behandlungsalternative zweiter Wahl

Der Patient muss bei Vorliegen mehrerer gleichwertiger Behandlungsalternativen über die jeweiligen Vor-und Nacheile der Methoden aufgeklärt werden. Aufklärungspflichtig sind dabei nicht nur Methoden der ersten Wahl sondern auch Therapien der zweiten Wahl, wenn diese innerhalb des standardmäßigen Behandlungskorridors ebenfalls zur Wahl stehen.

KG, Urt. v. 13. März 2017, Az.: 20 U 238/15
Haftung für Produktfehler bei Hüftkopfprothesen

Da der haftungsbegründende Produktfehler der Hüftprothese bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Prothese erkennbar war und die Großkopfprothese ein neues Produkt dargestellt hat, hätte der Hersteller die in der Wissenschaft gegen die Protehse geäußerten Bedenken erst nehmen müssen. Einer Patientin wurde aus diesem Grund ein Schmerzensgeld von EUR 25.000,00 zugesprochen, weitere 100 Klagen sind in vergleichbaren Fällen bereits anhängig.

LG Freiburg, Urt. v. 24. Februar 2017, Az.: 6 O 359/10

Folgen der fehlerhaften wirtschaftlichen Aufklärung

Hat der Arzt positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten (z.B. die Krankenkasse), so muss er die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten beziffern und dem Patienten die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung für die Behandlung vor Augen führen. Fehlt eine solche Aufklärung, so kann der Patient gegenüber dem Arzt einen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB geltend machen und die Freistellung von dem Gebührenanteil verlangen, der von seiner Krankenkasse nicht mehr getragen wird.

OLG Celle, Urt. v. 30. Januar 2017, Az.: 1 U 15/16

Sicherungsaufklärung bei Verlassen der Klinik

Die Beweislast für das Unterlassen eines Hinweises darauf, welche Konsequenzen ein vorzeitiges Verlassen der Klinik haben kann, liegt beim Patienten.

OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24. Januar 2017, Az.: 8 U 119/15

Verjährungshemmung durch Schlichtungsantrag

Der Eintritt der Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 BGB setzt nicht voraus, dass sich der Arzt oder dessen Haftpflichtversicherung auf das Schlichtungsverfahren einlassen. Die Verjährungshemmung tritt daher grundsätzlich unabhängig von der Zustimmung des Arztes mit Eingang des Schlichtungsantrags bei der Schlichtungsstelle ein, sofern diese dem Antragsgegner alsbald zugestellt wird.

BGH, Urt. v. 17. Januar 2017, Az.: VI ZR 239/15
Haftung des Krankenhauses für Fenstersturz des Patienten

Ein Krankenhaus ist gegenüber einer dementen Patientin zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese aus einem ungesicherten Fenster des Krankenzimmers in die Tiefe stürzt. Da ausreichende Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Gefahren bei der dementen Patientin mit Weglauftendenz nicht getroffen wurden, greift eine Haftung des Krankenhauses ein.

OLG Hamm, Urt. v. 17. Januar 2017, Az.: 26 U 30/16

Umfang der Aufklärungpflicht bei Operationserweiterung

Der Patient muss vor der OP auch über die Möglichkeit einer Entfernung der Kniescheibe aufgeklärt werden, wenn sich der Operateur diese Behandlungsoption im Sinne einer Operationserweiterung offen halten will. Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten muss eine Aufklärung umso eher erfolgen, je weitergehend die Auswirkungen der zusätzlichen Maßnahme sind.

OLG Köln, Urt. v. 11. Januar 2017, Az.: 5 U 46/16

Keine Anwendung BDSG auf Akteneinsichtsverlangen des Patienten

Die Vorschriften des BDSG stehen dem Akteneinsichtsverlangen eines Patienten nicht entgegen. Das BGB (konkret: § 630g Abs. 2 BGB) enthält hinsichtlich der Herausgabe von Behandlungsunterlagen eine spezielle Vorschrift, die den subsidiär anwendbaren Regelungen des BDSG vorgeht (§ 1 Abs. 3 BDSG). Daher ist das BDSG auf ein Herausgabeverlangen des Patienten nicht anzuwenden. Dies muss gerade auch vor dem Hintergrund des Zwecks des BDSG gelten, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (vgl. § 1 Abs. 1 BDSG). In Fallen, in denen der Patient selbst die Herausgabe der seine Behandlung betreffenden Unterlagen verlangt, kommt denklogisch eine Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts nicht in Betracht.

OLG Hamm, Urt. v. 2. Januar 2017, Az.: 3 W 43/16

Leistungssteigerung eines Lasers ist keine aufklärungspflichtige Neulandmethode

Mit der Einführung eines 120-Watt-Lasers anstelle eines bisher verwendeten 80-Watt-Lasers wurde keine Neulandmethode mit unbekannten Risiken angewandt, da die Einführung des stärkeren Lasers nichts an den bisher bekannten Risiken und Komplikationsraten geändert hat. Daher hat auch keine Aufklärungspflicht über bisher unbekannte Risiken bestanden.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 7. Dezember 2016, Az.: 7 U 66/14

Aufgabe der Rechtsprechung des BGH zur doppelten Zielsetzung bei Durchgangsärzten

Wegen die inneren Zusammenhangs zwischen Diagnosestellung und der sie vorbereitenden Maßnahmen mit der Entscheidung über die richtige Heilbehandlung sind diese Maßnahmen ebenfalls der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Durchgangsarztes zuzurechnen. Es besteht auch in diesem Bereich eine Haftung des Unfallversicherungsträgers. Ebenfalls in den Haftungsbereich des Unfallversicherungsträgers fallen Fehler im Bereich der Erstversorgung durch den Durchgangsarzt. Bei der Frage nach der Passivlegitimation ist auf die im Durchgangsarzt-Bericht angekreuzte Art der Behandlung abzustellen.

BGH, Urt. v. 29. November 2016, Az.: VI ZR 208/15
Keine Beschränkung auf GOÄ-Höchstsätze für Leistungen von Physiotherapeuten

Der Leistungspflicht einer privaten Krankenversicherung hinsichtlich der physiotherapeutischen Leistungen ist weder auf die Sätze der GOÄ noch auf die beihilfefähigen Höchstsätze beschränkt, da die GOÄ im Verhältnis zwischen Patienten und Physiotherapeuten keine Anwendung findet.

LG Frankfurt a.M., Urt. v. 17. November 2016, Az.: 2-23 O 71/16

Zeitpunkt der Aufklärung

Eine Aufklärung sechs Monate vor Vornahme des Eingriffs ist aufgrund des großen zeitlichen Abstands nicht ausreichend, da davon auszugehen ist, dass dem Patienten nach 6 Monaten die Vor- und Nachteile des Eingriffs sowie die Risiken nicht mehr gegenwärtig sind.

OLG Dresden, Urt. v. 15. November 2016, Az.: 4 U 507/16

Aufklärungspflicht bei psychotherapeutischer Behandlung

Eine Aufklärung über nicht gleichwertige Behandlungsalternativen ist im Bereich der psychotherapeutischen Behandlung nicht erforderlich, da die Wahl der Therapiemethode grundsätzlich der Therapiefreiheit des Therapeuten unterliegt. Auch der Ausbildungsstatus des Behandlers (Anfäger) ist nicht aufklärungspflichtig, da der Patient bei psychotherapeutischer Behandlung durch die Supervisionspflicht des Therapeuten ausreichend geschützt ist.

OLG Hamm, Urt. v. 11. November 2016, Az.: 26 U 16/16

Kein Ersatz der Sowiesokosten bei MRSA-Infektion

Der Krankenkasse steht kein Ersatzanspruch der für eine MRSA-Behandlung angefallenen Kosten bei fehlerhaft unterbliebenem MRSA-Screening und verzögerter Behandlung des MRSA-Keims zu, wenn auch für eine alternativ notwendige, stationäre medikamentöse Antibiotikatherapie Kosten angefallen wären, die die geltend gemachten Kosten in jedem Fall überstiegen hätten, da es dann an einem ersatzfähigen Schaden fehlt.

OLG Hamm, Urt. v. 28. Oktober 2016, Az.: 26 U 50/15
Pflicht zur Aufklärung über Risiko einer dauerhaften Lähmung

Über das einem ärztlichen Eingriff anhaftende, spezifische Risiko einer Lähmung des Beines ist aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf die zukünftige Lebensführung des Patienten aufzuklären. Dabei umfasst der allgemeine Hinweis auf eine mögliche Lähmung nicht auch die Gefahr einer dauerhaften Lähmung, sondern muss einschränkend dahingehend verstanden werden, dass er nur vorübergehende Lähmungszutsände erfasst.

BGH, Urt. v. 11. Oktober 2016, Az.: VI ZR 462/15

Verlegung einer Anstellungsgenehmigung in ein MVZ

Die Verlegung einer Anstellungsgenehmigung im Sinne von § 24 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV ist nicht möglich, wenn diese von einem MVZ in ein anderes MVZ vorgenommen werden und dieses MVZ erst durch diese Verlegung quasi entsteht.

SG Hamburg, Urt. v. 28. September 2016, Az.: S 27 KA 39/16

Keine Verweigerung der Einsicht in Behandlungsunterlagen aufgrund entgegenstehender Rechte des Arztes

Die Neuregelung im Berufsrecht der Bayerischen Ärzte zum Einsichtsrecht des Patienten in die Behandlungsdokumentation, die eine Verweigerung der Einsichtnahme auch unter Berufung auf entgegenstehende erhebliche Rechte des Arztes oder Dritter zulässt, verstößt gegen § 630g Abs. 1 BGB und ist damit aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig. Nach dem Wortlaut des § 630g Abs. 1 BGB können entgegenstehende Rechte des Arztes nur höchst ausnahmsweise eine Verweigerung der Einsicht in die Patientenakte begründen.

VG München, Urt. v. 27. September 2016, Az.: M 16 K 15.5630

Keine sachliche Kongruenz der Leistungen bei Blindengeld

Sachliche Kongruenz liegt vor, wenn sich die Ersatzpflicht des Schädigers und die Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers ihrer Bestimmung nach decken, also die Leistung des Sozialhilfeträgers und der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz dem Ausgleich derselben Einbuße des Geschädigten dienen. Der Landesgesetzgeber habe bei seiner Entscheidung zur Zahlung von Blindengeld jedoch im Gegensatz zur Blindenhilfe nach SGB wegen der schweren Belastungen, die die Blindheit mit sich bringt, unabhängig von jeglichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und auch der Erforderlichkeit im Einzelfall pauschale Leistungen für gerechtfertigt gehalten. Das Blindengeld soll die Nachteile der Behinderung mildern, die Teilhabe am Leben der Gesellschaft ermöglichen und ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben erleichtern sowie die Pflegebedürftigkeit vermeiden oder zumindest vermindern. Die im Sozialrecht dafür vorgenommene völlig abstrakte Berechnung des Blindengeldes, die für sich gar nicht in Anspruch nimmt, jeglichen Mehraufwand abzudecken, ist auf den für den Forderungsübergang nach § 116 Abs. 1 SGB X maßgeblichen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch kaum übertragbar, weil nach haftungsrechtlichen Gesichtspunkten allein auf den tatsächlich entstandenen blindheitsbedingten Mehrbedarf abzustellen ist. Dann aber sei sachliche Kongruenz zu verneinen.

OLG Hamm, Urt. v. 9. September 2016, Az.: 26 U 14/16
Sekundäre Darlegungslast bei Hygienemängeln

Trägt der Kläger substantiiert zu einem Verstoß gegen Hygienepflichten vor, so obliegt es dem Behandelnden im Rahmen der sekundären Darlegungslast, vorzutragen, welche Maßnahmen er getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Hygienebestimmungen eingehalten werden.

BGH, Beschluss v. 16. August 2016, Az.: VI ZR 534/15

Pflicht zur persönlichen Erbringung der vereinbarten Wahlleistung durch Chefarzt

Erklärt der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, dass er sich von einem bestimmten Arzt operieren lassen wolle, darf kein anderer Arzt den Eingriff vornehmen. Ist die Durchführung des Eingriffs durch einen bestimmten Arzt, regelmäßig den Chefarzt, konkret zugesagt oder vereinbart, muss der Patient rechtzeitig aufgeklärt werden, wenn ein anderer Arzt an Stelle des vereinbarten Arztes tätig werden soll. Fehlt diese wirksame Einwilligung, so ist die Vornahme des Eingriffs mangels wirksamer Einwilligung als rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten zu werten. Der ohne die erforderliche Einwilligung tätige Arzt kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Patient mit der Vornahme des Eingriffs durch einen anderen- besser qualifizierten Arzt- einverstanden war. Denn könnte er sich mit diesem Einwand der Haftung entziehen, bliebe der rechtswidrige Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten sanktionslos.

BGH, Urt. v. 19. Juli 2016, Az.: VI ZR 75/15

Entfallen des Honoraranspruchs bei Unwirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung

Eine Wahlleistungsvereinbarung, die den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte weder wörtlich noch sinngemäß nach § 17 Abs. 3 KHEntgG auf angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses beschränkt, sondern über diesen Kreis hinaus auch auf andere Ärzte erstreckt ist, ist wegen Verstoßes gegen § 134 BGB unwirksam und nichtig. Die Nichtigkeit der Wahlleistungsvereinbarung hat die Nichtigkeit des Vertrages über wahlärztliche Leistungen zur Folge, weswegen dem behandelnden Arzt kein Vergütungsanspruch nach § 612 Abs. 2 BGB i.V.m. GOÄ zusteht.

LG Stuttgart, Urt. v. 4. Mai 2016, Az.: 13 S 123/15

Beweislast der Behandlerseite bei erheblicher Vorschädigung des Patienten/ hypothetischer Kausalverlauf

Hat ein mangels wirksamer Einwilligung rechtswidrig edurchgeführter Eingriff zu einer Gesundheitsschädigung des Patienten geführt, so ist es Sache der Behandlungsseite zu beweisen, dass der Patient auch ohne den rechtswidrigen Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in zumindest ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde.

BGH, Urt. v. 22. März 2016, Az.: VI ZR 467/14

Aufklärungspflicht hinsichtlich dauerhaften Haarverlusts nach Chemotherapie

Das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts bei Anwendung eines neuen Chemotherapiemittels stellt ein aufklärungspflichtiges Risiko dar. Unterbleibt eine diesbezügliche Azufklärung so begründet dies einen Aufklärungsfehler und einen daraus resultierenden Schmerzensgeldanspruch.

OLG Köln, Urt. v. 21. März 2016, Az.: 5 U 76/14

Abgrenzung Diagnose-/Befunderhebungsfehler

Dem Arzt ist kein Diagnosefehler sondern ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen, wenn die unrichtige diagnostische Einstufung der der Erkrankung ihren Ursprung bereits darin hat, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht vorgenommen hat.

BGH, Urt. v. 26. Januar 2016, Az.: VI ZR 146/14

Anforderungen an den Nachweis eines Befunderhebungsfehlers

Einwendungen einer Partei gegen eine erstinstanzliche Überzeugungsbildung können in der Berufungsinstanz nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden, die Partei setze lediglich in unzulässiger Weise ihre abweichende Bewertung an die Stelle derjenigen des gerichtlichen Sachverständigen und des Vorgerichts. Das Abesehen von einer ärztlichen Maßnahme ist zumden nicht erst dann fehlerhaft, wenn die Drchführung der Maßnahme zwingend geboten war, sondern bereits dann, wenn ihr Unterbleiben dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.

BGH, Beschluss v. 22. Dezember 2015, Az.: VI ZR 67/15

Bedeutung von Leitlinien zur Festlegung des ärztlichen Standards

Leitlinien können den medizinischen Standard korrekt widerspiegeln, sie können jedoch auch veraltet sein und hinter dem aktuellen medizinischen Standard zurückbleiben. Daher hat sich ein Sachverständiger mit den einschlägigen Leitlinien auseinanderzusetzen und sich auch mit den möglichen Gründen eines Abweichens von den Leitlinien zu befassen.

BGH, Beschluss v. 15. Dezember 2015, Az.: VI ZR 557/15

Abgrenzung Befunderhebungsfehler/ Fehler der therapeutischen Sicherungsaufklärung

Das Unterlassen der Aufklärung über die Dringlichkeit einer gebotenen Maßnahme stellt einen Fehler der therapeutischen Sicherungsaufklärung und nicht etwa einen Befunderhebungsfehler dar.

BGH, Urt. v. 17. November 2015, Az.: VI ZR 476/14

Abgrenzung einfacher/grober Diagnosefehler

Ein grober Diagnosefehler liegt nur dann vor, wenn der Arzt gegen eindeutige und anerkannte Diagnoseregeln verstoßen hat und der Fehler aus objektiv ärztlicher Sicht nicht mehr vetsändlich erscheint.

OLG Hamm, Urt. v. 17. November 2015, Az.: 26 U 13/15

Anforderungen an die Substantiierung von Behandlungsfehler im selbstständigen Beweisverfahren

Die Substantiierungspflicht von Behandlungsfehlern gebietet es auch im selbstsändigen Beweisverfahren, die Tatsachenbehauptungen nicht lediglich formelhaft aufzustellen, sondern diese auch mit den Tatsachenbehauptungen in Beziehung zu setzen.

BGH, Beschluss v. 10. November 2015, Az.: VI ZB 11/15.

Kein Eingreifen des Grundsatzes des voll beherrschbaren Risiko bei fehlender Kausalität

Kann nicht sicher nachvollzogen werden, ob ein bei einem Patienten eingetretener Körperschaden auf eine fehlerhafte intraoperative Lagerung zurückzuführen ist oder ob sich eine mit der Wahl des verwendeten Zugangs typische Komplikation verwirklicht hat, so greifen dne Grundsätze des voll beherrschbaren Risikos nicht ein.

OLG Köln, Urt. v. 5. Oktober 2015, Az.: 5 U 2/15

Zustimmungspflicht beider Eltern zu Heileingriff

Ein ärztlicher Heileingriff bei einem minderjährigen Kind erfordert grundsätzlich die Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern. Erscheint nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt darf der Arzt abhängig von der Schwere des Eingriffs darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil den erschienenen Elternteil zur Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff ermächtigt hat.

OLG Hamm, Beschluss v. 29. September 2015, Az.: 26 U 1/15

Unzulässige Werbung für Osteopathie

 

Fehlt eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung von Werbeaussagen zu einer Vielzahl heilender Wirkungen (hier: Behandlung mittels Osteopathie), genügt der in einer Unterlassungserklärung aufgenommene Vorbehalt eines allgemeinen Hinweises, dass nicht für jeden Bereich eine relevante Anzahl von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen bestünde, nicht einer ausreichenden Aufklärung.

KG, Urt. v. 19. Juni 2015, Az.: 5 U 120/13

Keine Pflicht zur Kenntnis kanadischer Leitlinien

Ein in Deutschland niedergelassener Gynäkologe, der lediglich Belegbetten in einem Krankenhaus der Allgemeinversorgung unterhält und nicht an einem Krankenhaus der Maximalversorgung tätig ist, muss eine lediglich in Kanada bestehende Leitlinie bezüglich der Erhöhung des Risikos einer Uterusruptur nach Prostalandinegabe nicht kennen.

BGH, Beschluss v. 16. Juni 2015, Az.: VI ZR 332/14

Kein Anwesenheitsrecht der Gegenpartei bei sachverständiger Untersuchung des Patienten

Eine ärztliche Untersuchung einer Partei stellt einen Eingriff in die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Privatsphäre dar. Die vozunehmende Interessenabwägung führt regelmäßig zu dem Ergebnis, dass der Gegenpartei eine Anwesenheit bei der Untersuchung durch den Sachverständigen nicht gestattet werden muss.

OLG München, Beschluss v. 1. Juni 2016, Az.: 24 W 881/15

Widerruf der Approbation wegen Unwürdigkeit

Der Widerruf einer Approbation ist auch dann zulässig, wenn ein Arzt einem Patienten aufgrund einer behaupteten Entzugsbehandlung im Ausland einen so hohen Medikamentenvorrat verschreibt, dass der Patient in ernste gesundheitliche Gefahr gebracht wird. Dies gilt insbesondere, wenn neben den Medikamenten auch Heroin konsumiert wird.

OVG Niedersachsen, Urt. vom 11. Mai 2015, Az.: 8 LC 123/14

Verlust des Honoraranspruch des Sachverständigen bei grob fahrlässiger Herbeiführung eine Ablehnungsgrundes

Führt der gerichtliche Sachverständige einen Ablehnungsgrund grob fahrlässig herbei indem er darauf verweist, dass ein Rechtsanwalt seine Expertise in keiner Weise bewerten könne und indem er Teile der Fragen der Rechtsanwalts unbeantwortet lässt, da diese nach seiner Auffassung nicht zur Klärung des Sachverhalts beitrügen, hat dies für den Sachverständigen den Verlust des Honoraranspruchs zur Folge.

OLG Naumburg, Beschluss v. 16. April 2015, Az.: 10 W 157/14

Fairness des Verfahrens im Arzthaftungsprozess

Aufgrund des Informationsgefälles zwischen Arzt und Patient ist es im Sinne eines fairen Verfahrens geboten, einer medizinisch nicht sachkundigen Partei nach dem Vorliegen eines gerichtlichen medizinischen Gutachtens nochmals die Möglichkeit zu geben, unter Zuhilfenahme eines weiteren medizinischen Sachverständigen zu medizinischen Fragen nochmals Stellung zu nehmen. Ein erst drei Tage vor der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegtes Privatgutachten darf daher nicht als verspätet zurückgewiesen werden.

OLG Hamm, Urt. vom 14. April 2015, Az.: 26 U 5/14

Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler auch in der Tiermedizin

Eine Beweislastumkehr aufgrund eines groben Behandlungsfehlers kommt nicht nur in der Humanmedizin, sondern auch in der Tiermedizin in Frage. Vorliegend hätte der Tierarzt die Möglichkeit einer Fissur angesichts des Hinkens eines ihm vorgestellten Pferdes erkennen müssen. Er hätte daher Fall die Empfehlung abgeben müssen, das Tier nicht zu reiten und es allein in einem Paddock zu halten, gab das Tier jedoch bereits nach kurzer Schonung wieder zum Reiten frei. Zwar können die zur Humanmedizin getroffenen Vorschriften nicht analog auch auf Tierärzte angewendet werden, da der Gesetzgeber sich in Kenntnis der ähnlich gelagerten Problematik bei Behandlungsverträgen mit Tierärzten gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschriften entschieden habe. Kommt es allerdings aufgrund eines grob fehlerhaften Rates eines Tierarztes zu einer Risikoerhöhung wie hier, kommt eine Beweislastumkehr auch im Bereich der Tiermedizin in Betracht.

OLG Oldenburg, Urt. vom 26. März 2015, Az.: 14 U 100/14

Voll beherrschbares Risiko bei Sturz im Krankenhaus

Eine Beweislastumkehr aufgrund eines voll beherrschbaren Risikos greift nur dann ein, wenn feststeht, dass die Schadensursache aus dem Gefahrenbereich des verantwortlichen Trägers hervorgegangen ist. Der durch die Behandlerseite voll beherrschbare Risikobereich ist regelmäßig dann eröffnet, wenn sich der Patient zum Zeitpunkt des Unfalls in einer konkreten, eine besondere Sicherungspflicht auslösenden Pflege-, Bewegungs- oder Transportmaßnahme befindet, an der das Pflegepersonal unmittelbar beteiligt ist. In diesem Fall hat der Krankenhausträger zu beweisen, dass der Unfall nicht aus einem pflichtwidrigen Verhalten der Pfleger oder Ärzte herrüht. Andernfalls verbleibt die Beweislast beim Patienten.

OLG Hamm, Hinweisbeschluss v. 18. März 2015

Herstellerhaftung bei fehlerhaftem Herzschrittmacher

Ist ein Herzschrittmacher fehlerhaft, muss der Hersteller den Austausch zahlen – und zwar für alle Produkte desselben Modells. In seiner Entscheidung definierte der EuGH den Fehlerbegriff insofern neu, als dass ein fehlerhaftes Produkt schon dann angenommen wurde, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Darbietung des Produktes, seines Gebrauchs mit dem billigerweise gerechnet werden kann und des Zeitpunkts seines Inverkehrbringens zu erwarten berechtigt ist. Daher können alle Produkte einer bestimmten Produktgruppe als fehlerhaft eingestuft werden, ohne dass ein Fehler des konkret betroffenen Produktes nachgewiesen werden muss. Der vom Hersteller zu leistende Schadensersatzanspruch umfasst dabei u.a. die Kosten des Austauschs des fehlerhaften Produktes.

EuGH, Urt. vom 5. März 2015, C-503/13 und C-504/13

Abrechenbarkeit wahlärztlicher Leistungen durch Honorarärzte

Wahlärztliche Leistungen durch im Krankenhaus nicht angestellte Honorarärzte sind nicht abrechenbar.

BVerfG, Beschluss vom 3. März 2015, Az.: 1 BvR 3226/14

Verpflichtung ermächtigter Ärzte zur Teilnahme an Bereitschaftsdienst

Auch ermächtigte Krankenhausärzte können durch Satzung dazu verpflichtet werden, zu einem Anteil von 0,25 eines Versorgungsauftrags am ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen.

SG Marburg, Urt. vom 25. Februar 2015, Az.: S 11 KA 11/15

Gerichtliche Festlegung des medizinischen Standards

Der Tatrichter darf die im Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standards nicht ohne entsprechende Grundlage im Sachverständigengutachten festlegen. Die Einstufung eines ärztlichen Fehlverhaltens als grob muss durch die im ärztlichen Sachverständigengutachten mitgeteilten Fakten getragen werden.

BGH, Urt. vom 24. Februar 2015, Az.: VI ZR 106/13

Keine Beweislastumkehr aufgrund eines groben Behandlungsfehlers bei grobem Mitverschulden des Patienten

Nimmt der Patient im Rahmen der Nachbehandlung Kontrolluntersuchungen mehrfach nicht wahr vereitelt er hierdurch eine selbstständige Komponente des Heilungserfolges und trägt in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler dazu bei, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann. Es besteht dann kein Grund, dem Patienten eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten zukommen zu lassen.

OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.Februar 2015, Az.: 1 U 27/13

Keine Mitteilungspflicht der Privatanschrift des angestellten Arztes durch Krankenhaus

Das Krankenhaus ist nicht verpflichtet, neben dem Namen auch die Privatanschrift des behandelnden Arztes mitzuteilen, da der Patient diese für den Zivilprozess nicht benötigt.

BGH, Urt. vom 20. Januar 2015, Az.: VI ZR 137/14

Einrenken durch Physiotherapeut unzulässig

Ein Physiotherapeut darf einen Patienten mit Verspannungen im Nacken mobilisieren, jedoch nicht einrenken (manipulieren). Ein solches Einrenken ist ausschließlich dem Arzt vorbehalten.

OLG Hamm, Urt. vom 19. Dezember 2014, Az.: 26 U 44/14

Erforderlichkeit der Beweisaufnahme zur Risikoaufklärung

Der Einwand einer hypothetischen Einwilligung bedarf einer ausdrücklichen Erhebung und ist nach § 630h Abs. 2 S. 2 BGB nicht von Amts wegen zu prüfen. Jedoch kann eine vorgezogene Beweisaufnahme zur hypothetischen Einwilligung eine Beweisaufnahme zur ordnungsgemäßen Aufklärung nicht ersetzen. Vielmehr stellt die hypothetische Einwilligung lediglich eine Ausnahme dar, die nicht immer vorschnell geprüft und bejaht werden kann.

KG Berlin, Urt. vom 4. Dezember 2014, Az.: 20 U 246/13

Mitursächlichkeit eines Behandlungsfehlers begründet Haftung für ganzen Schaden

Eine auch bloße Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers begründet die Haftung für den gesamten Schaden, auch wenn dieser auf vom Behandlungsfehler unabhängige Ursachen zurückzuführen ist, dann, wenn ein auf diese Ursache zurückzuführender abgrenzbarer Teil des Schadens nicht bestimmt werden kann.

OLG Hamm, Urt. vom 21. November 2014, Az.: 26 U 80/13

Keine Haftung für Diagnosefehler bei falscher aber vertretbarer Diagnose

Bei der Klägerin wurde aufgrund der falschen Diagnose einer Gallenblasenentzündung die Gallenblase in einer Not-OP entfernt. Bei einer histologischen Untersuchung stellte sich heraus, dass die vermutete Entzündung tatsächlich nicht akut vorlag und dass auch eine Entfernung der Gallenblase zu einem späteren Zeitpunkt ausgereicht hätte. Die Klägerin hätte daher zwar darüber aufgeklärt werden müssen, dass keine akut entzündliche Situation vorlag und dass auch eine spätere OP ausreichend war, jedoch ist dieser Aufklärungsfehler nicht haftungsbegründend, da er auf einem Diagnoseirrtum beruht, der seinerseits nicht vorwerfbar ist, da die Diagnose der Gallenblasenentzündung zwar ex post, nicht hingegen ex ante unzutreffend war.

OLG Köln, Urt. vom 19. November 2014, Az.: 5 U 87/13

Aufklärung über Behandlungsalternative: Sectio versus vaginale Entbindung

Bestehen deutliche Anzeichen dafür dass sich der Zustand der Schwangeren oder der Geburtsverlauf so entwickeln können (relative Indikation), dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird, trifft den Arzt hinsichtlich dieser Alternative eine Aufklärungspflicht.

BGH, Urt. vom 28. Oktober 2014, Az.: VI ZR 125/13

E-Zigarette ist Genussmittel

Bei der E-Zigarette handelt es sich nicht um ein Arznei-, sondern um ein Genussmittel.

BVerwG, Urt. vom 20. November 2014, Az.: 3 C 25/13

Wundbehandlung ohne Betäubung

Das Vernähen einer Wunde ohne örtliche Betäubung stellt einen groben Behandlungsfehler dar.

KG Berlin, Urt. vom 13. Oktober 2014, Az.: 20 U 224/12

Beweislast des Patienten für fehlende Einwilligungsfähigkeit

Auch starke Schmerzen schließen die Einwilligungsfähigkeit des Patienten nicht aus. Da die Einwilligungsfähigkeit bei einem Erwachsenen die Regel ist, muss der, der an dieser zweifelt, deren Nichtvorliegen beweisen. Einerseits gibt es keinen verlässlichen objektiven Grad, mit dem sich Schmerzen bemessen lassen. Andererseits kann auch ein von starken Schmerzen gepeinigter Patient noch derart aufnahmefähig, entscheidungs- und bewusstseinsklar sein, dass er die ärztlichen Informationen bei der Aufklärung verstehen und verarbeiten und auf dieser Grundlage eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann.

OLG Koblenz, Urt. vom 1. Oktober 2014, Az.: 5 U 463/14

Kein Behandlungsfehler der Voruntersuchung aufgrund tastbaren Tumors bei sich anschließender Untersuchung erst ein Jahr später

Allein aus der Tatsache, dass anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung ein Tumor in der Brust der Patientin getastet werden kann, kann nicht geschlossen werden, dass dieser Tumor bereits im Vorjahr vorhanden gewesen und dass dieser bei einer Sonographie fehlerhaft nicht festgestellt worden ist, wenn nicht feststeht, dass bereits in diesem Jahr ein erkenn- oder tastbarer Tumor bestand.

OLG Hamm, Urt. vom 17. September 2014, Az.: 26 U 88/12

Mangelhafte Aufklärung über Risiken einer Koloskopie durch verharmlosenden  Aufklärungsbogen

Der Kläger erlitt bei einer Koloskopie nach unzureichender Aufklärung eine Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen. Der behandelnde Arzt hatte den Kläger mittels eines vorgedruckten Aufklärungsbogens, in dem u.a. auf die „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren“ hingewiesen wurde, aufgeklärt. Diese allgemein gehaltene Erklärung muss als weitgehend inhaltslos angesehen werden, da sie verharmlosend ist und da ihr nicht zu entnehmen ist, dass die Erklärung vom Patienten gelesen und verstanden worden sei. Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzen nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch.

OLG Hamm, Urt. vom 3. September 2014, Az.: 26 U 85/12

Beweislastumkehr aufgrund eines voll beherrschbaren Risikos auch bei geringem Restrisiko eines technischen Geräts

Während einer Herzkatheteruntersuchung kam es aufgrund einer Luftembolie der Spülleitung zu einem Verschluss des Koronarsystems sowie zu einem Infarktgeschehen im Hirn rechts, die zu einer rechtshirnigen Ischämie mit linksseitiger Hemiparese führte. Aufgrund des voll beherrschbaren Risikos, das sich vorliegend verwirklichte, kam es zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers.

OLG Schleswig-Holstein, Urt. vom 29. August 2014, Az.: 4 U 21/13

Zurücklassen eines Bauchtuchs als grober Behandlungsfehler

Das Zurücklassen eines Bauchtuchs im OP-Bereich stellt ein voll beherrschbares Risiko dar. Diese führt zu einer Umkehr der Beweislast dergestalt, dass die behandelnden Ärzte verpflichtet sind zu beweisen, dass eine sachgerechte und gefahrlose Durchführung der OP gewährleistet war.

OLG München, Urt. vom 22. August 2014, Az.: 1 U 3871/12

Keine Pflicht zur Risikoaufklärung bei einem Risiko von 1: 1.000.000

Während einer Implantatbehandlung erlitt der Kläger nach der Einnahme von Dormicum und einem Lokalanästhetikum eine Ganglienblutung mit Hemiplegie links sowie ein hirnorganisches Psychosyndrom. Vor der Behandlung wurde er über das geplante Vorgehen der Implantatbehandlung sowie über damit einhergehende Risiken aufgeklärt, nicht jedoch über das immanente Schlaganfallrisiko. Einer solchen Aufklärung bedurfte es jedoch auch nicht, da das Risiko bei lediglich 1: 1.000.000 lag. Über ein derart seltenes Risiko musste der Kläger nicht aufgeklärt werden.

OLG Köln, Urt. vom 13. August 2014, Az.: 5 U 104/13

Beweislastumkehr aufgrund grob fehlerhafter Medikamentengabe

Gibt ein Apotheker ein Medikament in ersichtlich überdosierter Form an einen Patienten aus und bleibt unaufklärbar, ob der Schaden des Patienten auf das Medikament oder auf einen angeborenen Defekt zurückzuführen ist, so geht dies zu Lasten der Behandlerseite. Vorliegend wurde durch einen Arzt ein Medikament in achtfach zu hoher Dosis verordnet. Der Apotheker hätte diese Überdosierung angesichts des Alters des Patienten erkennen müssen und können, verkaufte das Medikament aber dennoch an den Patienten. Die Überdosierung wurde als grober Behandlungsfehler des Arztes, das Nichterkennen der Überdosierung als grober Fehler des Apothekers bewertet.

OLG Köln, Urt. vom 7. August 2014, Az.: 5 U 92/12

Grober Fehler der therapeutischen Sicherungsaufklärung bei unterlassenem Hinweis auf indizierte diagnostische Abklärung (hier: Koloskopie)

Bei einer Krebsvorsorgeuntersuchung unterblieb zunächst eine Koloskopie. Später wurde andernorts ein Adenomkarzinom diagnostiziert und stationär entfernt. Der unterbliebene Hinweis auf die beim Kläger indizierte koloskopische Untersuchung stellt sich daher als grober Fehler der therapeutischen Sicherungsaufklärung dar.

OLG Köln, Urt. vom 6. August 2014, Az.:5 U 137/13

Grober Behandlungsfehler bei fehlerhafter Wahl der OP-Methode

Trotz Indikation eines endoskopischen Eingriffs wurde bei der Klägerin eine offene Schultergelenksoperation durchgeführt, die zu einer Zerstörung des Schulterdachs der Klägerin und zu massiven Einschränkung im täglichen Leben führte. Dieses Vorgehen wurde als grob behandlungsfehlerhaft gewertet.

OLG Hamm, Urt. vom 1. Juli 2014, Az.: I-26 U 4/13, 26 U 4/13

Pflicht zur Aufklärung über Risiko eines Paravasats vor Chemotherapie

Ergibt sich nach der brusterhaltenden Entfernung eines Mammakarzinoms des Erfordernis einer Chemotherapie, so ist die Patientin bereits vor dem Ersteingriff über die Möglichkeit eines Paravasats aufzuklären. Dabei ist die Aufklärung in einer auch für Laien verständlichen Weise ohne die Verwendung von Fachausdrücken durchzuführen.

OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 2014, Az.: 5 U 483/14

Schwangerschaft trotz Sterilisation und Aufklärung über Versagerquote

Wurde die Patientin über die verbleibende Versagerquote der Sterilisation zutreffend aufgeklärt, haftet das Krankenhaus nicht für eine trotz Sterilisation eingetretene Schwangerschaft.

OLG Hamm, Urt. vom 17. Juni 2014, Az.: 26 U 112/13

Verfrühte Eingliederung eines provisorischen Zahnersatzes

Eine verfrühte Eingliederung eines provisorischen Zahnersatzes nach einer Therapie mittels Protrusionsschiene stellt sich als grob fehlerhaft dar. Die Klägerin wurde provisorisch prothetisch versorgt, obwohl die Position des Unterkiefers trotz Schiene noch nicht gesichert war. Dadurch wurde die zu fordernde halbjährige Beschwerdefreiheit so erheblich unterschritten, dass sich ein Scheitern der Behandlung geradezu aufgedrängt hat. Daher liegt ein grober Behandlungsfehler vor.

OLG Hamm, Urt. vom 6. Juni 2014, Az.: 26 U 14/13

Schmerzensgeld für unerkannt gebliebenen Minderwuchs

Bei der Klägerin wurde durch den behandelnden Arzt ein bestehender Minderwuchs verkannt, weshalb keine Aufklärung über mögliche Therapiemaßnahmen durchgeführt wurde und weshalb die Klägerin lediglich eine Körpergröße von 144 cm erzielte. Hätte man dem Minderwuchs erkannt, so hätte die Klägerin durch eine geeignete Therapie eine Größe von 156 cm erreichen können. Die Klägerin erhielt aus diesem Grund ein Schmerzensgeld von EUR 40.000,00.

OLG Oldenburg, Urt. vom 21. Mai 2014, Az.: 5 U 216/11

Grober Behandlungsfehler aufgrund mehrerer einfacher Behandlungsfehler

Auch mehrere einfache Behandlungsfehler können in ihrer Gesamtheit als grob fehlerhaft zu betrachten sein. Dies gilt insbesondere, wenn auf eine gebotene Mikroblutuntersuchung des neu geborenen Kindes verzichtet wird und wenn die Geburt trotz pathologischem CTG verzögert wird.

OLG Hamm, Urt. vom 16. Mai 2014, Az.: 26 U 178/12

Grober Behandlungsfehler bei verzögerter Geburt

Kommt es aufgrund einer verzögerten Schnittentbindung zu einer um 23 Minuten verzögerten Geburt des Kindes, ist dies als grober Behandlungsfehler zu werten, wenn die Herzfrequenzrate des Kindes die ärztliche Entscheidung zu einer sofortigen Geburtsbeendigung erfordert hätte.

OLG Hamm, Urt. vom 16. Mai 2014, Az.: 26 U 112/13

Verletzung des rechtlichen Gehörs bei unterbliebener Aufklärung sich widersprechender Gutachten

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn ein Widerspruch zwischen Gutachten nicht aufgeklärt wird. Bestätigt ein Privatgutachten einen Behandlungsfehler und wird dieser nicht durch ein gerichtliches Gutachtens bestätigt, so hat das Gericht die Widersprüche zwischen den Gutachten hinreichend aufzuklären.

OLG Brandenburg, Urt. vom 15. Mai 2014, Az.: 12 U 56/13

Pflicht zur Dokumentation der Aufklärung über alternative Entbindungsmethoden

Die Klägerin kam, wie bereits ihre Schwester, mit einer durch eine Schulterdystokie verursachten oberen Plexuslähmung zur Welt. Die Mutter der Klägerin wurde trotz erkannter Schulterdystokie und gleichem Beschwerdebild der wenige Jahre zuvor geborenen Schwester der Klägerin nicht über die Möglichkeit einer Sectio aufgeklärt, obwohl das Risiko einer erneuten Schulterdystokie des zweiten Kindes um 20% erhöht war. Dies ist stellt einen Aufklärungsfehler dar.

OLG Koblenz, Urt. vom 11. April 2014, Az.: 26 U 6/13

Risikoaufklärung vaginale Geburt

 

In dem Fall, in dem eine Geburt vaginal erfolgen kann, bedarf es keiner gesonderten Risikoaufklärung der Mutter hinsichtlich der mit der vaginalen Geburt allgemein verbundenen Risiken. Jedoch kann dann, wenn aufgrund einer unterbliebenen Dokumentation nicht mehr nachvollzogen werden kann, wie eine Schulterdystokie gelöst wurde und vom Vorliegen der typischen Folgen einer Schulterdystokie bei dem entbundenen Kind mit Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass sich ein Behandlungsfehler ereignet hat.

Aus einer lückenhaften ärztlichen Dokumentation darf der Tatrichter nicht nur auf das Unterlassen einer nicht dokumentierten Maßnahme schließen, sondern es darf darüber hinaus auch der schlüssige Tatsachenvortrag des Patienten als richtig unterstellt werden.

OLG Naumburg, Urt. v. 10. April 2014, Az.: 1 U 77/13

Umfang der Aufklärung bei Ligatur von Hämorrhoidalknoten

Eine Aufklärung des Klägers über das mit der geplanten Skleroisierung von Hämorrhoidalknoten verbundene Risiko einer Infektion wurde fehlerhaft unterlassen. Der Kläger hätte dabei jedoch nicht auch über das sehr seltene Risiko einer schwerwiegenden Sepsis mit möglicher Todesfolge aufgeklärt werden müssen, da eine solche Komplikation nur ganz vereinzelt belegt ist.

OLG Karlsruhe, Urt. vom 9. April 2014, Az.: 7 U 124/12        

Fraglicher Beweis ordnungsgemäßer Aufklärung durch Einwilligungsformular

Der Kläger wurde durch den behandelnden Arzt nicht über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung des Karpaltunnelsyndroms sowie über das Risiko einer Verletzung des Thenararstes aufgeklärt. Jedoch wurde kein Aufklärungsfehler festgestellt, da es nach der Einlassung des Sachverständigen keine alternative Behandlungsmöglichkeit gab. Eine mangelnde Aufklärung über die Verletzung des Thenarastes wurde verneint, da diese ein typisches Risiko des Eingriffs darstellt, in das der Kläger durch Unterzeichnung des Einwilligungsbogens eingewilligt hat.

OLG Hamm, Urt. vom 25. März 2014, Az.: 26 U 177/12

Grober Behandlungsfehler bei unterlassener Diagnose von Gerinnungsstörungen

Bei der Klägerin wurde trotz bestehender Gerinnungsstörung, pathologischer Blutwerte und einer Autoimmunerkrankung eine Hüftgelenksoperation durchgeführt, in deren Folge es zu schweren Nachblutungen und umfassenden auch stationären Nachbehandlungen kam. Dabei wurden postoperativ die Gerinnungsstörungen der Klägerin nicht diagnostiziert, obwohl die anamnestischen Angaben und die pathologischen Blutwerte hierzu Anlass gaben.

OLG Hamm, Urt. vom 21. März 2014, Az.: 26 U 115/11        

Aufklärungspflicht bei Hallux valgus

Ein Arzt ist nicht verpflichtet, einen Patienten über alternative Operationsverfahren zu dem von ihm gewählten Verfahren zur Therapie eines Hallux valgus aufzuklären, da sich für die Behandlung des Hallux valgus noch kein aussagekräftiger „Goldstandard“ durchgesetzt hat. Zudem stehen für den Hallux valgus allein 200 OP-Verfahren in Betracht, sodass eine Aufklärung hierüber sowohl den Arzt wie auch den Patienten überfordern würde.

OLG Hamm, Urt. vom 18. März 2014, Az.: 26 U 81/13

Keine Befangenheit des Gutachters bei Bezeichnung des Beklagten als Kollegen

Allein die Bezeichnung eines Arztes als „Kollegen“ lässt nicht auf die Befangenheit des Gutachters schließen. Auch der gutachterliche Hinweis, es liege „eine problematische Arzt-/Patientenbeziehung“ vor, da der Kläger mehrere Termine beim Beklagten grundlos absagte, begründet keine Befangenheit des Gutachters.

OLG Köln, Urt. vom 17. März 2014, Az.: 5 U 124/13

Haftung staatsanwaltlich beauftragter Sachverständiger nach §§ 839,839a BGB

Der behandelnde Arzt verabreichte einer Patientin wegen starker Übelkeit und Luftnot Morphin, woraufhin die Patientin an akutem Herz-Kreislaufversagen verstarb. Ein staatsanwaltliche beauftragter Gutachter stellte schließlich ein Abbauprodukt von Heroin fest, das auf eine kurze Zeit zurückliegende Applikation von Heroin hindeutete, weshalb der behandelnde Arzt wegen Mordverdachtes festgenommen wurde. Über das noch vor der Festnahme vorliegende Ergebnis der Hirngewebeuntersuchung, die kein Abbauprodukt von Heroin nachwies, hatte der Gutachter die Staatsanwaltschaft nicht informiert. Wird ein Gutachter auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft tätig, so wird er hoheitlich tätig und seine persönliche Inanspruchnahme ist nach der vorrangigen Regel des § 839 BGB ausgeschlossen, obwohl im Grundsatz auch eine Haftung nach § 839a BGB in Betracht kommen könnte.

BGH, Urt. vom 6. März 2014, Az.: III ZR 320/12

Mangelhaft ausgeführtes Tattoo

Der Tätowierer ist bei einem mangelhaften Tattoo zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet. Ein Recht zur Nachbesserung steht ihm dagegen nicht zu.

OLG Hamm, Urt. vom 5. März 2014, Az.: 12 U 151/13

Übergang des Anspruchs auf Einsicht in Pflegeunterlagen

Das Recht des Heimbewohners auf Einsicht in die Pflegeunterlagen geht auf den Sozialversicherungsträger über, wenn und soweit dieser mit seiner Hilfe das Bestehen von Schadensersatzansprüchen klären will und wenn die dem Altenpfleger obliegende Pflicht zur Verschwiegenheit einem solchen Gläubigerwechsel nicht entgegensteht.

BGH, Urt. vom 26. Februar 2014, Az.: VI ZR 359/11

Unterlassener Hinweis auf Standardtherapie

Bei dem Kläger trat zunächst ein Basalzellkarzinom auf der rechten Wange auf, das mittels fotodynamischer Therapie behandelt wurde, obwohl keine zureichende Aufklärung auch über zur Verfügung stehende Behandlungsalternativen erfolgt war und obwohl die Indikation zur Durchführung der fotodynamischen Therapie fehlte. Jahre später kam es zu einem erneuten Auftreten der Krebserkrankung.

OLG Hamm, Urt. vom 25. Februar 2014, Az.: 26 U 157/12

Fehlerhaftes Unterlassen einer sonografischen Untersuchung bei Netzhautablösung

Bei dem Kläger wurde eine Netzhautloch mit Glaskörpereinblutung festgestellt, woraufhin eine Laserkoagluation durchgeführt wurde. Diese sowie auch eine zweite Laserkoagluation brachten keine Besserung, vielmehr trat eine Netzhautablösung ein. Die Laserbehandlung erwies sich als fehlerhaft, da zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht sichergestellt werden konnte, dass die restliche Netzhaut sicher anlag und da eine sonografische Untersuchung unterlassen wurde.

OLG Hamm, Urt. vom 21. Februar 2014, Az.: 26 U 83/13

Unterlassene Bildgebung bei Verschraubung während Schulter-OP grob fehlerhaft

Bei der durchgeführten Schultergelenks-OP des Klägers wurde intraoperativ fehlerhaft eine bildgebende Kontrolle der Positionierung der eingebrachten Schraube unterlassen, wodurch eine Revisions-OP notwendig wurde.

OLG Hamm, Urt. vom 18. Februar 2014, Az.: 26 U 152/13

Verjährung wegen Kenntnisfiktion bei mangelnder Kooperation nach Einschaltung des MDK

Die Klägerin unterließ eine weitere Zusammenarbeit mit dem MDK bei der Erstellung eines Gutachtens bezüglich des von ihr erlittenen Behandlungsfehlers, nachdem sie zunächst die erforderliche Mitwirkung durchführte und auf die zügige Erstellung eines MDK Gutachtens hinwirkte. Insbesondere vertröstete sie die Krankenkasse mehrmals und reichte angeforderte Unterlagen nicht ein. Das Gutachten sowie das Ergänzungsgutachten wurden daher nur mit erheblicher Verzögerung erstellt. Da die wesentlichen, zur Beurteilung des Behandlungsfehlers relevanten Tatsachen jedoch schon nach Abschluss des ersten Gutachtens vorlagen, konnte die Verjährung zu Lasten der Klägerin schon in diesem Zeitpunkt und nicht erst nach Durchführung des Ergänzungsgutachtens beginnen.

OLG Bamberg, Urt. vom 14. Februar 2014, Az.: 4 U 62/13

Keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 839a BGB auf prozessual unverwertbare, inhaltlich jedoch zutreffende Gutachten

Der Gutachter traf in seinem Gutachten zutreffende Feststellungen, die jedoch über die Reichweite des Beweisbeschlusses hinausgingen und zu seiner Ablehnung wegen Befangenheit führten. Bei einem den Beweisbeschluss überschreitenden, aber im Übrigen zutreffenden Gutachten handelt es sich nicht um ein Gutachten im Sinne des § 839a BGB. Ein Gutachten ist vielmehr dann unrichtig im Sinne des § 839a BGB, wenn unrichtige Tatsachenfeststellungen getroffen werden oder wenn der Gutachter fehlerhafte Schlüsse zieht. Dies war vorliegend nicht der Fall.

OLG Hamm, Urt. vom 14. Januar 2014, Az.: 9 U 213/13

Aufklärungspflicht auch für Tierärzte

Bei besonders risikoreichen Eingriffen sind auch Eigentümer von Tieren über (auch finanzielle) Risiken und Behandlungsalternativen aufzuklären. Diese Pflicht folgt nicht aus dem Selbstbestimmungsrecht, sondern beruht auf der vertraglich geschuldeten Aufklärungs- und Beratungspflicht des Tierarztes.

OLG Hamm, Urt. vom 13. Januar 2014, Az.: 26 U 95/14

Kostenvoranschlag indiziert ausreichende zahnärztliche Aufklärung

Bei einer zahnärztlichen Behandlung kann schon dann auf das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung geschlossen werden, wenn dem Patienten ein Kostenvoranschlag ausgehändigt wurde und wenn er die entsprechende Rechnung bezahlt hat. Dieses Verhalten indiziert, dass dem Patienten der Umfang der Arbeiten bekannt gewesen ist und dass er diese gebilligt hat.

OLG Hamm, Urt. vom 10. Januar 2014, Az.: 26 U 76/12

Abbruch des Kausalzusammenhangs erst durch schwerste Fehler des Nachbehandlers

Der Kläger zog sich durch einen vorsätzlichen Kniestoß des Schädigers eine Verletzung des Hodens zu. Der behandelnde Arzt ging fehlerhaft, jedoch ex ante in gerade noch vertretbarer Weise von einem Tumorgeschehen aus und riet dem Kläger zu Entfernung des Hodens. Da die behandelnden Ärzte nicht in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht ließen und nicht gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen haben, kam es auch ausnahmsweise nicht zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, sodass allein der Schädiger, nicht jedoch die behandelnden Ärzte für die Entfernung des Hodens hafteten.

OLG Hamm, Urt. vom 3. Dezember 2013, Az.: 9 U 69/13

Beweis nachträglicher Fälschung bei ungewöhnlich detaillierter Aufklärungsdokumentation

Die Klägerin macht einen Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der Entnahme von Knochenmaterial aus dem Beckenkamm geltend, in deren Folge sich eine neurologische Schädigung einstellte, über die sie nicht hinreichend aufgeklärt wurde. In der OP-Einwilligungserklärung war ein derartiger Hinweis nicht enthalten, jedoch fand sich in der elektronischen Karteikarte ein ungewöhnlich ausführlicher Hinweis auf eine Aufklärung über das Risiko einer Nervenverletzung. Diese ausführliche Dokumentation der Aufklärung legte den Verdacht nahe, dass die Dokumentation der Risikoaufklärung erst im Nachhinein erstellt wurde, da die außergewöhnliche detaillierte Darstellung des Aufklärungsinhalts nicht zur ansonsten recht knapp gehaltenen Dokumentation passte. Vielmehr war zu vermuten, dass die Dokumentation nachträglich den klägerseits erhobenen Vorwürfen angepasst wurde. Dafür spricht auch, dass die Software nachträgliche Veränderungen nicht erkennen ließ.

OLG Köln, Urt. vom 25. November 2013, Az.: 5 U 164/12

Umfang der Aufklärung über mangelnde Kompetenz für bevorstehende OP

Der Kläger wurde im Krankenhaus des Beklagten wegen einer Pankreatitis mittels ERCP operativ versorgt. Bei einer notwendigen Revisions-OP kam es zu einer Duadenalperforation, die durch eine erneute Notfall-OP versorgt werden musste. Der Kläger war vor der OP nicht über die alternative Möglichkeit einer Durchführung der geplanten OP in einem Krankenhaus der Maximalversorgung aufgeklärt worden. Das OLG Hamm entschied jedoch, dass eine solche Aufklärung nicht erforderlich war, da es sich dabei nicht um eine echte Behandlungsalternative handelte. Vielmehr wäre die OP auch im Krankenhaus der Maximalversorgung nicht anders erfolgt und wäre auch dort mit den gleichen Chancen und Risiken verbunden gewesen.

OLG Hamm, Urt. vom 19. November 2013, Az.: 26 U 25/13

Reichweite der Beweislastumkehr bei Befunderhebungsfehler

Der Kläger stürzte mit einem Plastiklöffel im Mund und zog sich eine Pfählungsverletzung im Rachenraum zu. Diese wurde stationär behandelt, jedoch wurden eine Entzündung sowie ein entstehender Abszess nicht erkannt, CRP-Werte nicht erhoben. Dies führte zu einer schweren Schädigung des zentralen Nervensystems des Klägers. Sowohl hinsichtlich der Entstehung des Abszesses wie auch hinsichtlich der Entstehung der Hirnschädigung kam es zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Klägers, da die Hirnschädigung als Folge des lebensbedrohlichen Zustandes und damit als Folge des Primärschadens des Klägers angesehen wurde. Für einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten blieb hingegen die Behandlerseite beweisfällig.

BGH, Urt. vom 5. November 2013, Az.: VI ZR 527/12

Unterlassung einer Thromboseprophylaxe bei leichtem Thromboserisiko ist kein Behandlungsfehler

Ein Orthopäde muss bei einem lediglich niedrigen Thromboserisiko keine medikamentöse Thromboseprophylaxe anordnen. Eine 64-jährige Patientin zog sich beim Skifahren eine Distorsion mit Innenbandläsion zu, die mittels schmerzadaptierter Vollbelastung ohne Orthese behandelt wurde. Wenige Tage später verstarb sie an einer Lungenembolie. Eine Thromboseprophylaxe war mangels anamnestischer und klinischer Anzeichen und aufgrund der vollständigen Mobilisierung der Patientin nicht notwendig.

OLG Hamm, Urt. vom 18. Oktober 2013, Az.: 26 U 119/12

Verweigerte Terminsverlegung als Ablehnungsgrund

Die Ablehnung der Terminsverlegung durch die Vorsitzende, die mit einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Klägervertreters begründet wurde, stellt einen Ablehnungsgrund dar, da sie den Anspruch auf rechtliches Gehör in unzulässiger Weise beschneidet und da sich der Eindruck einer sittenwidrigen Benachteiligung des Klägers aufdrängt. Dem kann auch nicht das zur Begründung der Ablehnung bemühte legitime Interesse an der baldigen Beendigung und Beschleunigung des Verfahrens entgegengehalten werden.

OLG Naumburg, Urt. vom 20. August 2013, Az.: 10 W 18/13

Anforderungen an nachzuweisende Gesundheitsnachteile bei fehlerhafter Aufklärung über Neulandmethoden

Der Kläger wurde vor der computergesteuerten Implantation einer Hüftgelenksendoprothese nicht über die Möglichkeit auch der Verwirklichung von unbekannten Risiken aufgeklärt. Der Kläger konnte jedoch nicht nachweisen, dass ihm daraus ein Schaden entstanden ist. Leidet die Risikoaufklärung über eine Neulandmethode – hier der Einsatz eines computergesteuerten Fräsverfahrens bei der Implantation einer Hüftgelenkendoprothese – an Fehlern, ist die Operation zwar insgesamt rechtswidrig, für den Patienten jedoch nur dann mit Schadensersatz verbunden, wenn ihm aus dieser Operation auch ein realer Gesundheitsnachteil entstanden ist.

OLG Frankfurt a. M., Urt. vom 19. August 2013, Az.: 25 U 79/12

Beurteilung eines CT ohne Hinzuziehung eines Neurologen fehlerhaft

Die Patientin wurde mit deutlichen Anzeichen eines Hirninfarktes eingeliefert, ein CT wurde zwar angefertigt, jedoch ohne Hinzuziehung eines Neurologen beurteilt. Vielmehr kam es zu einem neurologischen Konsil erst am Folgetag, an dem eine rechtzeitige Behandlung des Hirnstamminfarktes nicht mehr möglich war. Die unterlassene Hinzuziehung eines Neurologen stellt einen Behandlungsfehler dar.

OLG Hamm, Urt. vom 12. August 2013, Az.: 3 U 122/12

Keine Notwendigkeit einer gerichtlichen Genehmigung für die nächtliche Fixierung eines Kindes

Zur nächtlichen Fixierung eines minderjährigen Kindes in einer offenen Einrichtung ist die Einwilligung der Eltern erforderlich aber auch ausreichend. Einer weiteren gerichtlichen Genehmigung bedarf es nicht, da § 1906 Abs. 4 BGB nicht auf unterbringungsähnliche Maßnahmen gegenüber Kindern anzuwenden ist.

BGH, Urt. vom 7. August 2013, Az.: II ZB 559/11

Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei Pflicht zu umfassender Entbindung von der Schweigepflicht

Eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung liegt vor, wenn eine Versicherungsnehmerin Krankenkassen und Behörden umfassend von der Schweigepflicht entbinden soll, um ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen.

BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2013, Az.: 1 BvR 3167/08

Heimbewohnerin verbrüht sich durch heißen Tee Ein Heimbewohner griff nach einer Thermoskanne mit heißem Tee, welche sich im Aufenthaltsraum befand, um einem anderen Bewohner etwas einzuschenken. Heißer Tee, der vom Pflegeheimpersonal unbeaufsichtigt in einem Raum mit pflegebedürftigen und demenzkranken Heimbewohnern zurückgelassen wird, kann zur Verbrennung bei pflegebedürften Heimbewohnern führen. In diesem Fall haftet dann der Heimbetreiber. Der Heimbtreiber haftet auch für Pflichtverletzungen des Personals gegenüber der Krankenkasse, welche Behandlungskosten, in diesem Fall in Höhe von 85.000,00 EUR aufgrund mehrerer Hauttransplantationen, zu zahlen hatte. Grund dafür ist, dass für das Pflegepersonal eine Verbrennung vorhersehbar gewesen sei.

OLG Schleswig, Urteil vom 31. Mai 2013, Az.: 4 U 85/12
Überprüfungspflicht des Arztes besteht nicht bei Implantaten Ein Arzt darf sich im Jahr 2007 noch auf die Eignung von PIP-Brustimplantaten verlassen, sofern ein betrügerisches Verhalten des Herstellers noch nicht bekannt ist. Zum Zeitpunkt der Operation hätten keine Anhaltspunkte bestanden, sodass die Qualität von PIP-Brustimplantaten hätte hinterfragt werden müssen.

LG Karlsruhe, Urteil vom 29. Mai 2013, Az.: 8 O 260/12, 7 O 94/12

Prozessuale Folgen eines Widerrufs der Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht

Auch der Widerruf einer einmal erteilten Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hindert den Sozialversicherungsträger nicht an der weiteren prozessualen Durchsetzung von übergegangenen Ansprüchen nach § 116 SGB X. Dafür spricht, dass die Verfolgung von Regressansprüchen nach § 116 SGB X auch ohne Einvernahmen des Patienten weiterbetrieben werden kann. Andererseits geben weder ZPO noch Sozialrecht Anhaltspunkte dafür, dass einmal rechtmäßig erlangte Beweismittel (hier: die mit noch bestehender Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht eingeholten Behandlungsunterlagen) nicht mehr genutzt werden dürften, weil derjenige, der die Informationen zunächst erteilt hat, mit deren Verwendung nun nicht mehr einverstanden ist.

OLG München, Urt. vom 16. Mai 2013, Az.: 1 U 4156/12

Unterlassener Rat zur jährlichen Vorsorgemammografie

Vom behandelnden Arzt wurde der Klägerin nicht zur Durchführung einer jährlichen Mammografie geraten, obwohl diese besonderen Wert auf die Minimierung des Brustkrebsrisikos gelegt hatte. Die Klägerin erkrankte schließlich an Brustkrebs. Dies stellt einen groben Behandlungsfehler dar.

OLG Hamm, Urt. vom 12. Februar 2013, Az.: 3 U 57/13

Wirtschaftliche Aufklärung bei Privatkrankenhaus

Befinden sich in einem Krankenhaus unter einem Dach sowohl eine Privatklinik wie auch ein Plankrankenhaus, so ist der Patienten darüber aufzuklären, dass der private Krankenversicherer die Behandlungskosten der Privatklinik nur in der Höhe übernimmt, wie sie im Plankrankenhaus angefallen wären. Wird dies unterlassen liegt ein Fehler der wirtschaftlichen Aufklärung vor.

OLG Stuttgart, Urt. vom 8. Januar 2013, Az.: 1 U 87/12

Herausgabe medizinischer Präparate

Zunächst hatte das LG Deggendorf entschieden, dass grundsätzlich dem Patienten nur eine Einsicht in die Krankenunterlagen oder ein Anspruch auf Kopie besteht. Das OLG München fügte hinzu, dass dem Patienten, bzw. dessen Erben, zudem ein Anspruch auf eine mindestens zeitweilige Herausgabe der medizinischer Präparate gegen den behandelnden Arzt zusteht. Dabei muss die Herausgabe zur Prüfung von Schadenersatzansprüchen unabdingbar sein, sowie dem Arzt zumutbar sein und von einer ordnungsgemäßen Rückgabe ausgegangen werden können.

OLG München, Urteil vom 6. Dezember 2012, Az.: 1 U 4005/12

Umfang der Befunderhebung beim Auftreten stechender Kopfschmerzen Bei einem plötzlichen Auftreten starker und stechender Kopfschmerzen ist der Patient auf eine Subarachnoidalblutung, einschließlich ihrer Vorstufe Warning Leak, hin zu untersuchen. Das Unterlassen einer Befunderhebung stellt einen Befunderhebungsfehler dar, der einen Schmerzensgeldanspruch begündet. Die geschilderten Kopfschmerzen wären auf der Basis einer ausreichenden Anamnese, durch eine CT-Angiographie zu 95% einer Subrachnoidalblutung (SAB) zugeordent.

OLG Hamm, Urteil vom 9. November 2012, Az.: I- 26 U 142/09
Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler Ist ein grober Verstoß gegen den ärztlichen Standard grundsätzlich geeignet, mehrere Gesundheitsschäden bekannter oder (noch) unbekannter Art zu verursachen, kommt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler regelmäßig nicht deshalb in Betracht, weil der eingetretene Gesundheitsschaden, als mögliche Folge des groben Behandlungsfehlers, zum maßgebenden Zeitpunkt noch nicht bekannt war. Hier liegt insofern eine Abgrenzung zum Senatsurteil vom 16.06.1981 (Az.: - VI ZR 38/80 -, VersR 1981, 954) vor. Selbst wenn sich durch den groben Fehler nicht ein zum Zeitpunkt bekanntes, sondern ein unbekanntes Risiko verwirklicht hat, sind die Grundsätze der Beweislastumkehr anwendbar.

BGH, Urteil vom 19. Juni 2012, Az.: VI ZR 77/11
Keine Nacherfüllungspflicht des Arztes bei Schadensersatz- und Schmerzensgeldanforderungen Ein Patient muss seinen Zahnarzt nicht zur Nacherfüllung auffordern, wenn er anschließend wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem behandelnden Arzt wegen dessen Behandlungsfehlers verlangen möchte. Der Eigenart des Arzt-Patienten-Verhältnisses und dem Inhalt der nach dem Behandlungsvertrag geschuldeten Leistung widerspräche es, wenn der Patient nach fehlerhafter Behandlung Nacherfüllung verlangen müsste. Das gesetzliche Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens (§ 281 BGB) kann nur für solche Schadensersatzpositionen relevant werden, die dem Komplex Schadensersatz "statt Erfüllung" zuzurechnen sind; das sind z.B. Nachbehandlungskosten für eine wegen des Behandlungsfehlers notwendig gewordene Nachbehandlung. Dass ein Nacherfüllungsanspruch nicht in Betracht käme, folge bereits aus dem Umstand, dass ein Nacherfüllungsanspruch nach Beendigung des Behandlungsvertrages nicht mehr bestehe. Ein Behandlungsabbruch seitens des Patienten, der mit dem Schadensersatz- und Schmerzensgeldverlangen regelmäßig einhergeht, ist als Kündigung des Behandlungsvertrages anzusehen.

OLG Thüringen, Urteil vom 29. Mai 2012, Az.: 4 U 549/11
Hohes Schmerzensgeld für Kind bei Hirnschäden Einem viereinhalbjährigen Kind, das auf Grund ärztlicher Behandlungsfehler einen schweren Hirnschaden erlitten hat, hat das Kammergericht Berlin ein hohes Schmerzensgeld in Höhe von 650.000,00 Euro zugesprochen. Das Kind kam wegen eines gebrochenen Arms ins Krankenhaus, wo es auf Grund ärztlichen Fehlverhaltens und sich daraus entwickelten Komplikationen einen Hirnschaden erlitt. Dies führte zu einer Schwerstbehinderung mit Pflegestufe III, einem apallischen Syndrom mit erheblichen Ausfallerscheinungen der Großhirnfunktion und einer Tetraspastik führte. Schmerzensgelderhöhend wurde berücksichtigt, dass die Erinnerung des Kindes an den Zustand vor der Operation nicht ausgeschlossen werden könne. Daher hielt das KG auch ein höheres Schmerzensgeld für gerechtfertigt, als dies regelmäßig in Geburtsschadensfällen der Fall ist.

KG Berlin, Urteil vom 16. Februar 2012, Az.: 20 U 157/10
Ärztliche Aufklärungspflicht und Kausalität Auch bei einem Aufklärungsversäumnis des Arztes muss die Kausalität für den eingetretenen Schaden vom Patienten nachgewiesen werden. Die Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung trifft zwar den Arzt. Der Patient trägt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Schadenfolge auch wirklich durch den eigenmächtigen Eingriff des Arztes verursacht worden ist. Der Patient hat nicht nur in den Fällen, in denen die rechtswidrige Behandlung in einem Eingriff, beispielsweise in einer Operation, liegt, sondern auch in den Fällen der rechtswidrigen Fortsetzung konservativer Behandlungsmethoden trotz Bestehens gleichwertiger Behandlungsalternativen zu beweisen, dass die bei ihm vorgenommene Behandlung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Dies gilt auch dann, wenn Schadens- und Ersatzansprüche nicht aus der konservativen Behandlung hergeleitet werden, sondern daraus, dass weitergehende Behandlungsmaßnahmen unterblieben sind. Eine Unterlassung ist für den Schaden nur dann kausal, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit, genügt nach § 286 ZPO nicht.

BGH, Urteil vom 7. Februar 2012, Az.: VI ZR 63/11
Irreführende Eigendiagnosen des Patienten entlasten den Arzt nicht Ein als Rettungssanitäter arbeitender Patient wurde wegen akuter Schmerzen in die orthopädische Klinik eingeliefert. Dort gab er an, er vermute eine Nerveinklemmung, die er vor einem Jahr bereits schon einmal erlitten habe. Das sei internistisch bereits abgeklärt. Der Orthopäde erfragte nicht die weiteren Zusammenhänge und erhielt daher nicht die Auskunft, dass die internistische Untersuchung vor einem Jahr gewesen ist und nicht den aktuellen, erst seit einer Stunde auftretenden Schmerz betraf. Der Patient wurde mit einer Fehldiagnose nach Hause geschickt, wo er wenige Stunden später an einem Herzinfarkt verstarb. Ein Arzt ist zur sorgfältigen Anamnese und kritischen Betrachtung einer laienhaften Eigendiagnose des Patienten verpflichtet, selbst wenn dieser sachkundig ist und auch so auftritt. Wird aufgrund einer unzureichenden Anamnese die sonst zweifelsfrei erforderliche Hinzuziehung eines anderen Facharztes und damit eine zwingend erforderliche Befunderhebung unterlassen, haftet der erstbehandelnde Arzt auf Schadensersatz.

OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Januar 2012, Az.: 5 U 857/11
Grober Behandlungsfehler nicht nur bei Verstoß gegen die Leitlinien und Richtlinien Der BGH hat klargestellt, dass für die Bewertung eines groben Behandlungsfehlers nicht nur die Leitlinien, Richtlinien oder andere Handlungsanweisungen zu berücksichtigen sind, sondern insbesondere auch die elementaren medizinischen Grundlagen, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden, heranzuziehen sind. Zu fragen ist also immer danach, welche elementaren Grundregeln einzuhalten sind.

BGH, Urteil vom 20. September 2011, Az.: VI ZR 55/09
Fürsorgepflichten durch Reha-Klinik Es liegt eine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor, wenn eine Reha-Klinik einen Patienten einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mehr als 14 Stunden lang nicht in seinem Zimmer aufsucht, obwohl dieser weder zu den Mahlzeiten noch zu den Therapiemaßnahmen erscheint. Im konkreten Fall hatte der Patient am Morgen einen Schlaganfall erlitten, was dem Personal der Klinik jedoch erst über 14 Stunden später aufgefallen ist. Das Gericht sieht eine Verletzung von Sorgfaltspflichten. Die Klinik muss sicherstellen, dass ihre Mitarbieter den Patienten in seinem Zimmer aufzusuchen haben, wenn dieser ohne erkennbaren Grund und ohne Entschuldigung den Therapieanwendungen und dem Essen fernbleibt.

LG Osnabrück, Urteil vom 26. Januar 2011, Az.: 2 O 2278/08
Verjährung von Arzthaftungsansprüchen Nach einem vom behandelnden Operateur als fehlerhaft erkannten Eingriff genügt es für die die Verjährung in Gang setztende Aufklärung nicht, wenn der Operateur dem Patienten mitteilt, es sei "irgendetwas komplett schief gelaufen". Es liegt in diesem Satz keine ordnungsgemäße Aufklärung über einen tatsächlichen Fehler vor, so dass dadurch auch nicht die Verjährungsfrist für eventuelle Schadensersatzansprüche des Patienten zu laufen beginnt. Der Arzt hätte dem Kläger genau erläutern müssen, zu welchen Fehlern es gekommen ist, insbesondere muss der Patient wissen, ob sich ein Behandlungsrisiko verwirklicht habe. Denn nur dann kann ein Patien beurteilen, ob eine Klage überhaupt Aussicht auf Erfolg habe.

OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 30. November 2010, Az.: 8 U 102/10
Schadenshöhe;
Erwerbsschaden für ein jüngeres Kind
Trifft ein Schadenereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft zum Schadenzeitpunkt noch keine Aussage möglich ist, so kann es geboten sein, dass der Tatrichter bei der für die Ermittlung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose auch den Beruf sowie die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, ihre beruflichen Pläne für das Kind sowie schulische und berufliche Entwicklungen von Geschwistern berücksichtigt. Ergeben sich aufgrund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Zeitpunkt der Schädigung und dem Zeitpunkt der Schadenermittlung (weitere) Anhaltspunkte für seine Begabungen und Fähigkeiten und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne den Schadenfall, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen und von dem entsprechenden normalen beruflichen Werdegang auszugehen. Trifft das Schadenereignis ein jüngeres Kind, über dessen berufliche Zukunft aufgrund des eigenen Entwicklungsstandes zum Schadenzeitpunkt noch keine zuverlässige Aussage möglich ist, darf es dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen, dass die Beurteilung des hypothetischen Verlaufes mit nicht zu beseitigenden erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Denn es liegt in der Verantwortlichkeit des Schädigers, dass der Geschädigte in einem sehr frühen Zeitpunkt seiner Entwicklung aus der Bahn geworfen wurde und dass sich daraus die besondere Schwierigkeit ergibt, eine Prognose über den Verlauf anzustellen. Daher darf sich der Tatrichter in derartigen Fällen seiner Aufgabe, auf der Grundlage des § 552 BGB und § 287 ZPO eine Schadenermittlung vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen.

BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010; Az.: VI ZR 186/08
Grundsätze ärztlicher Aufklärungspflicht Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Entscheidend ist vielmehr die Bedeutung, die das Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann. Bei einer besonders schweren Belastung für seine Lebensführung ist deshalb die Information über ein Risiko für die Einwilligung des Patienten auch dann von Bedeutung, wenn sich das Risiko sehr selten verwirklicht. Die Haftung aus medizinischer Aufklärungspflicht setzt voraus, dass das Risiko nach damaliger medizinischer Erfahrung bekannt war bzw. den behandelnden Ärzten hätte bekannt sein müssen.

BGH, Urteil vom 6. Juli 2010, Az.: VI ZR 198/09
Aufklärung;
telefonisch
In einfach gelagerten Fällen (hier: Anästhesie bei einfachem chirurgischen Eingriff) kann der Arzt den Patienten grundsätzlich auch in einem telefonischen Gespräch über die Risiken eines bevorstehenden Eingriffs aufklären, wenn der Patient damit einverstanden ist.

BGH, Urteil vom 15. Juni 2010, Az.: VI ZR 204/09
Pflicht zur persönlichen Anhörung im Zivilprozess Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist der in der Beweisnot befindliche Kläger im Arzthaftungsprozess jedenfalls dann persönlich zu dem behaupteten Behandlungsfehler anzuhören (hier: Hygienemangel bei einer intraartikulären Injektion), wenn das Gericht den beklagten Arzt bei der Frage der Aufklärung eben diese Möglichkeit der Beweisführung eröffnet.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 7. April 2010, Az.: 7 U 114/09
Aufklärung;
unnötige Amputation der Brust
Eine Haftung für einen eingetretenen Schaden bei einer unnötigen Brustamputation kommt in Betracht, wenn dem behandelnden Arzt ein Aufklärungsfehler vorzuwerfen ist und die Brustamputation letztlich unnötig ist. Bei der Klägerin war bei Mammographien Mikrokalk in beiden Brüsten festgestellt worden. Aufgrund der familiären Vorbelastung wünschte sie die Amputation. Aufgabe der behandelnden Ärzte wäre es gewesen, der Patientin letztlich irrationale Ängste zu nehmen und sie durch eine umfassende Aufklärung in den Bereich des Rationalen zurückzuholen. Alternativ zur radikalen Amputation kam auch eine Hormonbehandlung im Rahmen einer Studie in Betracht. Nach einer den strengen Anforderungen der Rechtsprechung gerecht werdenden Aufklärung hätte sich die Klägerin wohlmöglich gegen den später vorgenommenen Eingriff entschieden.

OLG Köln, Urteil vom 17. März 2010, Az.: 5 U 51/09
Umfang der Haftung bei Geburtsfehler Müssen Ärzte wegen eines Fehlers bei der Geburt dem geschädigten Kind Schadensersatz leisten, so umfasst dieser auch die Kosten, die später durch Maßnahmen für die Eingliederung in einer Werkstatt für behinderte Menschen entstehen. Finanziert die Bundesagentur für Arbeit eine solche Eingliederungsmaßnahme (bislang ca. EUR 50.000,00), kann sie die hierdurch entstehenden Kosten von den schadensersatzpflichtigen Ärzten ersetzt verlangen.

LG Osnabrück Urteil vom 13. Januar 2010, Az.: 2 O 1097/09
Arzthaftung wegen missverständlichen Merkblatts über Operationsrisiken Wenn sich aus überreichten Merkblättern Operationsrisiken nicht widerspruchslos erkennen ließen und der Patient auf Nachfrage, ob sich ein dort formuliertes Risiko verwirklichen könne, geantwortet wird, dass dem Arzt solches noch nicht vorgekommen sei, insofern also das Risiko verharmlost wurde, so haftet der Arzt, wenn sich das Risiko tatsächlich verwirklicht.

OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Januar 2010, Az.: 5 U 967/09
Ablehnung eines Sachverständigen Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann aus den gleichen Gründen wie ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit genügt jede Tatsache, die auch ein nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Ob der Sachverständige tatsächlich voreingenommen ist, ist unerheblich. Ein Grund für die Besorgnis der Befangenheit kann auch eine besondere berufliche Nähe des Sachverständigen zu einer Partei sein, die ihren Ausdruck in dem beruflichen Werdegang des Sachverständigen in der Einrichtung der Beklagten gefunden hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige vor seiner Beauftragung diese berufliche Nähe verschwiegen hatte.

OLG Jena, Beschluss vom 3. September 2009, Az: 4 W 373/09
Unterlassen Desinfektion vor einer Injektionsbehandlung Vor einer Injektion im Hals-Schulter-Bereich ist die betroffene Hautstelle des Patienten gründlich (z. Bsp. bei Verwendung eines Desinfektionssprays durch Besprühen, anschließendes Wischen und erneutes Sprühen einer nachfolgenden mindestens dreißig Sekunden anhaltenden Einwirkzeit) zu desinfizieren. Dies gilt auch beim notärztlichen Einsatz in einem häuslichen Umfeld. Bei einem sog. Quaddeln ist eine vorherige Desinfektion der Hände des behandelnden Arztes oder das Anlegen von Einweg-Handschuhen erforderlich. Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro bei einem groben Behandlungsfehler (vollständiges Unterlassen einer Desinfektion vor einer Injektionsbehandlung durch eine Notärztin, Folge: Sepsis mit einer beatmungspflichtigen Störung der äußeren Atmung und beginnendem Funktionsversagen von Leber und Niere; sechswöchige stationäre Behandlung, überwiegend intensivmedizinisch; Absterben des Bindegewebes an beiden Unterarmen mit anschließenden Verwachsungen und Narbenbildung).

OLG Naumburg, Urteil vom 20. August 2009, Az: 1 U 86/08
Substantiierung im Arzneimittelprozess Eine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Arzneimittelschäden (hier: Infarkt durch Einnahme von VIOXX) ist schlüssig, wenn vom Kläger vorgetragen wird, dass ein bestimmtes Medikament während einer bestimmten Zeit eingenommen worden ist und dass die Einnahme dieses Medikaments ursächlich für den geltend gemachten Arzneimittelschaden ist.
An die Substantiierungslast sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden. Sind für die Behauptungen einer Medikamenteneinnahme und ihre Ursächlichkeit für ein bestimmten Arzneimittelschaden Beweismittel angeboten worden, dann ist das erkennende Gericht verpflichtet, darüber Beweis zu erheben.

OLG München, Urteil vom 3. August 2009, Az.: 19 U 2171/09
Unterlassene Aufklärung als grober Behandlungsfehler Die mangelnde Mitwirkung des Patienten an einer medizinisch gebotenen Behandlung schließt einen Behandlungsfehler nicht aus, wenn der Patient über das Risiko der Nichtbehandlung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Das Unterlassen eines deutlichen Hinweises auf die Gefahren einer Dehydration und auf die Notwendigkeit, sich bei entsprechenden Anzeichen sofort wieder in die Klinik oder zum Hausarzt zu begeben, kann als grober statt als einfacher Behandlungsfehler eingestuft werden mit der Folge einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Ursächlichkeit dieses Fehlers für einen eingetretenen Hirninfarkt. Das Bestehen oder Nichtbestehen einer Dokumentationspflicht hinsichtlich eines erforderlichen Hinweises auf eine Austrocknungsgefahr sagt nichts darüber aus, ob das Unterbleiben eines solchen Hinweises ein einfacher oder ein grober Behandlungsfehler ist.

BGH, Urteil vom 16. Juni 2009, Az.: VI ZR 157/08
Widersprüchliche Äußerungen eines Gutachters Ein Gericht darf in einem Arzthaftungsprozess wegen eines - während eines Krankenhausaufenthaltes eingetretenen - Sauerstoffmangel bedingten Gehirnschadens eines Kindes nicht entsprechend dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eine hinreichende medizinische Versorgung feststellen, wenn dieser von einer vitalen Bedrohung ausgegangen ist, die grundsätzlich eine Beatmung erforderlich gemacht hätte. Dies gilt insbesondere in dem Fall, dass ein Gegengutachter das Vorgehen des medizinischen Personals als grob fehlerhaft einstuft. Eine solche Tatsachenfeststellung ist als Verstoß gegen das rechtliche Gehör revisibel.

BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009, Az.: VI ZR 261/08
Aufklärung;
Einwand der hypothetischen Einwilligung
Wird dem Patienten vier Monate vor einer Koloskopie der Perimed-Bogen ausgehändigt, den der Patient erst am Behandlungstag dem Personal des Arztes zurückgibt, ersetzt diese Aushändigung nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient. Der Einwand der hypothetischen Einwilligung muss bereits in erster Instanz erhoben werden, wenn aufgrund eines Beweisbeschlusses in Betracht zu ziehen ist, dass eine Verurteilung wegen unzureichender Aufklärung erfolgen könnte. Dies gilt selbst dann, wenn anschließend ein Sachverständiger die Aufklärung aus medizinischer Sicht für ausreichend erachtet.

OLG Oldenburg, Urteil vom 27. Mai 2009, Az.: 5 U 43/08
Anästhesie/Schmerzmedizin Es gehört zu den Regeln der ärztlichen Kunst, beim Befüllen einer Schmerzmittelpumpe das unter der Haut liegende Einfüllseptum sorgfältig zu ertasten und eine geeignete Kanüle ohne vorherigen Kontakt mit anderen Teilen der Schmerzmittelpumpe in senkrechtem Einstichwinkel durch die Haut und ohne Querbewegungen durch die Silikonschicht zu führen. Dieses Vorgehen soll die Beanspruchungen, denen die Silikonschicht unterliegt, minimieren und ihre Dichtigkeit gewährleisten.

OLG Frankfurt, Urteil vom 10. März 2009; Az.: 8 U 253/07
Aufklärung ausländischer Patienten Der aufklärungspflichtige Arzt hat - notfalls durch Beiziehung eines Sprachmittlers - sicherzustellen, dass der ausländische Patient der Aufklärung sprachlich folgen kann. Eine Embolie stellt bei einer "einfachen" arthroskopischen Knieoperation ein aufklärungspflichtiges Risiko dar.

KG Berlin, Urteil vom 8. Mai 2008, Az.: 20 U 202/06
Schmerzensgeldhöhe Ein lebensgefährlich erkrankter Patient, der im Krankenhaus fälschlicherweise als Simulant hingestellt wird, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Der Umstand, als Simulant dargestellt zu werden, ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen. Stirbt der Patient an seinen Leiden, geht der Anspruch gegen das Krankenhaus auf die Erben über.

OLG Koblenz, Urteil vom 10. Januar 2008, Az.: 5 U 1508/07
 
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